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90 Jahre Kleingärtnerverein Neuer Weg e.V.

Ein geschichtlicher Abriss

Wir begehen in diesem Jahr den 90. Jahrestag der Gründung unseres Vereins, obwohl es die Kleingartensparte „Neuer Weg“ unter diesen Namen erst seit Mai 1968 gibt. Immerhin wurde, so steht es in der ersten Satzung, hier im Herbst 1925 der Kleingartenverein „Elsteraue e.V. zu Leipzig“ gegründet.

Die Gründer dieses Vereins waren überwiegend Leipziger Straßenbahner und viele Angestellte bei der Deutschen Reichsbahn. Es ging rasant vorwärts. Nachdem die ersten Gärten eingezäunt und urbar gemacht wurden, begann dann sofort der Bau des Vereinsheimes, welches 1927 bereits fertiggestellt und mit einer großen Vereinsfeier eingeweiht wurde.

1928 eröffnete man dann eine Schankwirtschaft in diesen Räumlichkeiten.

Im gleichen Jahr fand auch das erste – dann alljährlich durchgeführte – Sommerfest statt, Die mit viel Aufwand und Kreativität vorbereiteten Umzüge durch die Kirschbergstraße und dem Heuweg stellten die Höhepunkte dieser Feste dar und lockten viele Anwohner und Gäste an.

 

Es gab viele Pächterwechsel für die Gaststätte, so dass sich die Vereinsleitung mehr um die Betreibung des Gartenlokals als um die wichtigeren kleingärtnerischen Dinge kümmern musste. Eines war damals jedoch absolut kurios: Der Bierpreis wurde noch per Beschluss der Mitgliederversammlung festgelegt – am 4. Mai 1931 z.B. auf 24 Pfennige pro Glas!

Im Mai 1933 wurde unser Verein durch das nationalsozialistische Regime „gleichgeschaltet“. Der erst 1932 gewählte Vorstand musste neu formiert werden, der damalige engagierte Vereinsvorsitzende Karl Lenzendorf wurde abgesetzt. Mit seiner Gesinnung passte er den Oberen als kritischer Künstler wahrscheinlich nicht so recht in den Kram. Statt eines Vereinsvorsitzenden hatte man nun den Vereinsführer, statt eines Kassierers einen Kassenwart.Hakenkreuzfahnen zierten Gärten und Spartenheim und man huldigte zu den Umzügen den Führer! Nun gehörte man dem Reichsbund der Kleingärtner und Kleinsiedler Deutschlands an.

1934 wurde ein eigenes Wasserleitungsnetz errichtet. Viele Aufbaustunden waren dafür notwendig, aber man hatte nun flächendeckend Trinkwasser zur Verfügung.

Im gleichen Jahr fand auch das erste – dann alljährlich durchgeführte – Sommerfest statt, Die mit viel Aufwand und Kreativität vorbereiteten Umzüge durch die Kirschbergstraße und dem Heuweg stellten die Höhepunkte dieser Feste dar und lockten viele Anwohner und Gäste an.

Erst 9 Jahre nach Gründung des Vereins bemerkte man, dass es einen noch viel älteren Verein namens „Elsteraue“ in Leipzig gab! Da hatte der Verantwortliche zur Führung des Vereinsregisters wohl etwas übersehen. Und das ging natürlich nicht! Deshalb fand im Jahr 1934 die Umbenennung in „Kleingartenverein Heuweg e.V.“ statt.

 

1935 wurde auf dem tiefer liegenden Teil der ehemaligen Brandschen Lehm-grube ein weiterer kleiner Gartenverein gegründet. Unter dem Namen „Gartenverein Zeppelin e.V.“ hatte man nun einen neuen Nachbarn. Beide Vereinsführer haben gute nachbarliche Beziehungen gepflegt und es ist zum Glück zu keinerlei Streit, Neid oder Zoff gekommen. Zu den gemeinsamen Arbeiten und die Organisation der Kinder- und Gartenfeste kamen aber bald auch gemeinsame Sorgen, die der Krieg mit sich brachte! Bombenangriffe auf die Bahnstrecke und die auf unserem Gelände errichteten Flak-Stellungen hatten fast alle Gärten in Mitleidenschaft gezogen. In vielen Gärten wurden die Lauben total zerstört, Bäume wurden entwurzelt oder auf halber Höhe abrasiert. Ein schweres Erbe mussten die beiden Vereine in den Nachkriegsjahren bewältigen! Gleich nach Kriegsende haben sich verantwortungsbewusste Kleingärtner an den ehemaligen Vorsitzenden Karl Lenzendorf erinnert und ihn bewegt, noch einmal den Vorsitz zu übernehmen. Das letzte Dokument mit seiner Unterschrift ist eine Urkunde aus dem Jahr 1953 für den langjährigen Obmann des Spielausschusses Erich Weber.

Der Kleingartenverein Zeppelin wurde in „Gartenanlage am Kirschberg“ umbenannt. Die gute Nachbarschaft zwischen den beiden Vereinen verlief in den Nachkriegsjahren immer besser. Es dauerte trotzdem noch über zwanzig Jahre bis sich beide Vereine zusammenschlossen.

Am 04. Mai 1968 wurde die neue Kleingartensparte „Neuer Weg“ gegründet. Die Funktion des ersten Spartenleiters übernahm Gerhard Weber, der danach noch jahrzehntelang die Funktion des Vereinsvorsitzenden innehatte. Seine engsten Mitstreiter waren damals Gerhard Grazidei, genannt „Rembrand“, und Wolfgang Seidel, der später der erste LIG-Chef wurde. Susanne Schönwiese, Peter Riedel, Rudi Löschner, Horst Rossdeutscher, Manfred Werner und Klaus Münch waren damals und für viele weitere Jahre die aktivsten Funktionsträger. In den fünfziger Jahren wurde die Kulturarbeit sehr gefördert. Ein Doppelkopfclub traf sich regelmäßig im Vereinsheim, ab 1951 führte man eigene Karnevalsveranstaltungen durch. Ab 1953 gab es einen Vereinschor und eine Spielgruppe, die zu den Sommerfesten kleine Bühnenstücke aufführte. Sogar über eine eigene Tanzgruppe verfügte damals unser Verein! In den fünfziger Jahren war Martha Leipnitz die Gastwirtin und engagierte sich sehr für die Kulturarbeit. In dieser Zeit wurde das Frauenaktiv gegründet. Das Aktiv bereicherte fast 60 Jahre die Vereinsarbeit und erst 2012 musste die Arbeit unter der langjährigen Leitung von Margot Roßdeutscher aufgrund mangelnder Beteiligung leider eingestellt werden.

 

Auch nach dem Krieg gab es nicht nur Licht in unserer Geschichte, sondern auch Zeiten, in denen die Existenz unseres Vereins auf der Kippe stand: da war das große verheerende Hochwasser 1954! Sowohl die Hochwasser führende Weiße Elster als auch die Partheflutrinne traten über die Ufer. Fotos bezeugen, wie meterhoch das Wasser in unserer Anlage stand.

Aber Kleingärtner sind doch irgendwie zäh – die meisten jedenfalls. Sie haben nicht nur ihre Lauben trockengelegt und abgesoffene Kulturen ersetzt, sondern vor allem auch die Wege und Außenanlagen wieder in den alten Zustand versetzt. Das hat vielen Betroffenen wieder Mut gemacht und die Gemeinschaft gestärkt. Und ein Gutes hat unsere feuchte Lage damals wie heute: für begehrliche Pläne für Verkehrs- und Wohnungsbau und Kleingewerbeansiedlung ist einfach das Risiko zu groß und man hat es lieber den Kleingärtnern überlassen, der Hochwassergefahr zu trotzen.

Das bekamen wir auch in den Jahren 1994, 2002 und zuletzt 2013 in etwas abgeschwächter Form zu spüren.

Nach dem Zusammenschluss entwickelte sich unser Verein mit immerhin damals 350 Parzellen als Sparte des VKSK zu einer schönen Freizeitanlage. Im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes und später der freiwilligen Masseninitiative entstanden zwei Spielplätze, die in den letzten Jahren immer weiter ausgebaut und erweitert wurden. Natürlich war man unter der Dach des VKSK als „Sozialistische Freizeitorganisation“ nicht ganz frei von Zwängen. Es musste jeder Kleingärtner dem Vorstand berichten, wieviel kg Obst und Gemüse er geerntet hatte. Diese Berichte führte der VKSK an die Obrigkeit weiter. Somit tauchten dann die geernteten Früchte aus unseren Gärten plötzlich in der Planerfüllung der Partei- und Staatsführung wieder auf! Da z.B. die Teilnahme an den Versammlungen Pflicht war, wurden Mitgliederversammlungen immer in zwei Teilen durchgeführt! Es gab Wartelisten für die Vergabe von Kleingärten und die Bewerber wurden auf Herz und Nieren geprüft, ehe sie eine Parzelle erhielten. Beäugt wurden die „Neuen“ zudem immer von den „alten Hasen“.

1974 wurde die Lichtinteressengemeinschaft (LIG) gegründet und ein flächendeckendes Elektronetz geschaffen. Das kostete sehr viel Zeit, Aufwand und auch Geld, alles musste durch die Vereinsmitglieder aufgebracht werden. Die Versorgungslage mit Ersatz- und Installationsteilen war nun mal in der DDR nicht rosig, so dass viel Engagement und teilweise auch Tricks und Beziehungen notwendig waren, alles zu besorgen, damit jeder, der es wollte, seinen Stromanschluss bekam! Für viele Kleingärtner stellte der Garten auch eine Rückzugsnische dar, wo man mit seiner Familie und Freunden mal Abstand von der „Sozialistischen VolksGemeinschaft“ nehmen konnte. Denn gefeiert wurde damals schon gewaltig, auch wenn im Hochsommer die Getränke immer knapp wurden! Aber man ließ sich immer etwas einfallen!

1985 übernahm Lothar Schönfeld die Gaststätte zuerst als Gaststättenleiter und später als Inhaber.

Mit der Zeitenwende 1989/90 und der Wiedervereinigung glaubten einige Pächter, dass es nun keine gesetzlichen Bestimmungen zur Nutzung eines Kleingartens mehr gäbe und man nun tun

könne, was man wolle! Sie und viele andere haben den Spagat geschafft, ein lebendiges Vereinsleben von Kleingärtnern mehrerer Generationen zu schaffen. Zum Glück hat es in diesen Wendejahren keine „Bilderstürmerei“ gegeben, sondern aus unserer VKSK-Sparte entstand 1991 der „Kleingärtnerverein Neuer Weg e.V.“ Erst als diese Umwandlung mit allen Behörden und Ämtern unter Dach und Fach gebracht wurde, räumte der langjährige und verdienstvolle Spartenvorsitzende Gerhard Weber mit der Vorstandswahl im Oktober 1991 seinen Platz. Neuer Vorsitzender wurde Gartenfreund Hans-Jürgen Weiß, der 12 Jahre lang dieses Amt begleitete. In dieser Zeit wurden sämtliche Wegeinfassungen nach dem Überschwemmungen 1994 neu instandgesetzt, so dass schwere Technik, Kfz oder auch die Feuerwehr die Wege wieder befahren konnten. Mit einer großen Investition wurde das Dach des gesamten Vereinshauses 1999 neu eingedeckt.

Nach Rücktritt des fast kompletten Vorstandes übernahm Otmar Winkler 2003 den Vorsitz des Vereins. Leider verunglückte er einige Monate später tödlich, so dass Peter Horn ab Juni 2004 Vereinsvorsitzender wurde. Diese Funktion übte er bis September 2009 aus, arbeitete dann noch bis zu seinem Tod im März 2013 im Vorstand mit.  In diesen fünf Jahren entstanden die Parkplätze und der Gemeinschaftsgarten. 2005 folgte der Beginn des Neubaus des vorderen Spielplatzes. 2006 wurde die Fassade des Vereinshauses neu gestaltet. Seit dem 80. Jahrestag der Vereinsgründung 2005 erfolgten jeweils zu den Vereinssommerfesten Umzüge durch die Vereinsanlage zusammen mit Spielmannskapellen. Seit 2004 werden jährlich mehrmals Vereinsnachrichten gestaltet und gedruckt.

2008 übergab Lothar Schönfeld seinem Sohn Andre den Staffelstab zur Betreibung der Vereinsgaststätte, die nach wie vor den gleichen Namen trägt wie unser Verein. Der Küchentrakt musste umgebaut werden.

Seit 2009 ist Jürgen Leskien der Vereinsvorsitzende. Mehrere Investitionen konnten seitdem getätigt werden. Es wurde 2012 eine Heizungsanlage für das gesamte Vereinshaus installiert. 2013 erfolgten der Einbau einer neuen Decke sowie die Modernisierung des Vereinssaals selbst. In demselben Jahr wurde der Spielplatz auf der Festwiese neu gestaltet.

Der Umbau der Kolonnade erfolgte 2014 und die Gestaltung der Außenanlagen wird zurzeit weitergeführt. Nun jährt sich zum 90. Mal der Gründungstag unseres Vereins. Eine lange ereignisreiche Geschichte liegt hinter uns. Was dieser Kleingärtnerverein ist, wie er sich nach außen präsentiert und wie man auch in schwierigen Situationen zusammensteht, alles das verdanken wir dem unermüdlichen Fleiß vieler Gartenfreundinnen und Gartenfreunde.

Eine Reise durch die Zeit in Bildern finden Sie hier.